CLAUDIA HESS

Diplom-Psychologin

 

Supervision
Gutachtenhilfe TP AP


Unterstützung beim Bericht an den Gutachter rechtmäßig?
Bemerkungen zu einer kontroversen Debatte

REPORT PSYCHOLOGIE 11-12/2004
psychologie & recht
(http://www.bdponline.de/intern/report/2004/1112/22.shtml) Mitgliedermodus

 

Zugelassene Psychotherapeuten bedienen sich gelegentlich beim Bericht an den Gutachter der Hilfe professioneller gewerblicher Dienstleister. Ob und inwieweit dies zulässig ist, wird kontrovers diskutiert. Dabei werden fachliche, ethische und rechtliche Überlegungen oft vermengt. Hier soll nicht der Frage nachgegangen werden, ob es schlimmer ist, wenn eine Psychotherapie wegen der professionellen Wortwahl bejaht wird, obwohl sie nicht unbedingt nötig ist oder ob es schlimmer ist, wenn eine Psychotherapie wegen der falschen Wortwahl nicht bezahlt wird, obwohl sie unbedingt nötig ist. Es geht hier nur um die rechtlichen Aspekte. Ausgenommen ist allerdings der hypothetische Fall, dass der Berichtsgehilfe den Bericht durch Ausschmückung und Hinzudichtung von angeblichen Tatsachen oder auf sonstige Weise zurecht biegt, denn dass dies unzulässig und ggf. strafbar ist sowie gegen die Berufsordnung verstoßen kann, ist selbstverständlich und bedarf an dieser Stelle keiner vertieften Erläuterung.

Gem. Abschnitt F II 1. der PTRiLi und § 11 PT-V ist im Bericht an den Gutachter die Diagnose zu begründen und Art und Umfang der geplanten Therapie zu beschreiben. Bei der Beantragung einer KZT ist zu begründen, warum bei dem vorliegenden Krankheitsbild mit einem therapeutischen Erfolg im Rahmen der KZT gerechnet werden kann. Bei der LZT und bei einer Umwandlung von einer KZT in eine LZT soll der Bericht neben den Angaben zur Diagnose, Indikation sowie Art, Umfang und Frequenz der geplanten Therapie auch einen fallbezogenen Behandlungsplan enthalten.

Gem. Abschnitt F II 1. der PTRiLi ist die Berichtserstellung Aufgabe des Therapeuten, wobei dem Wortlaut nicht zu entnehmen ist, dass er dies (höchst)persönlich zu tun hat. Die Vorschrift muss daher ausgelegt werden.

Im Rahmen der systematischen Auslegung hilft die Bezugnahme auf § 14 Abs.3 BMV-Ä (Vertretungsverbot in der Psychotherapie) und § 15 BMV-Ä (Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung) nicht weiter. Zum einen gilt § 14 Abs.3 BMV-Ä schon dem Wortlaut nach nicht für die Berichterstellung. Zum anderen gilt die Berichtspflicht auch für Ärzte und diese können grundsätzlich Leistungen delegieren, ohne gegen den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung zu verstoßen, so dass die Ausgangsfrage offen bleibt, es sei denn man wollte bei der Berichtserstellung zwischen Ärzten und Psychotherapeuten unterscheiden, was der Wortlaut der Vorschrift zur Berichterstellung aber nicht zulässt. Dass prinzipiell versucht wird, mit der Optimierung des Berichts die Bewilligung zu erreichen, ist ein dem gesamten Gutachtersystem immanenter Umstand, der nicht etwa erst dann zu einem Einwand wird, wenn ein Dritter dies professionell unterstützt. Dieser Umstand wird vom Regelgeber entweder nicht als Problem gewertet oder in Kauf genommen. Es ist illusorisch anzunehmen, das Gutachtersystem diene dazu, dass Psychotherapeut und Gutachter gemeinsam die Entscheidung finden und der Psychotherapeut zu diesem Zwecke die Daten offen lege, wie wenn er seinen Supervisor um Rat fragt. Der Psychotherapeut hat seine Entscheidung längst getroffen, bevor der Bericht verfasst wird. Das Optimierungsstreben wird erst dann zum Einwand bzw. vermag erst dann im Rahmen der Auslegung abstrakt gegen die Beteiligung Dritter zu sprechen, wenn typischerweise (!) damit zu rechnen ist, dass mit der professionellen Hilfe Dritter nicht nur optimiert, sondern “zurechtgebogen” wird. Für die Annahme einer kriminellen Energie bei solchen Dienstleistern bzw. ihren Auftraggebern gibt es hingegen überhaupt keine Anhaltspunkte. Selbst wenn es zutreffen sollte, dass mehrere Berichte teilweise Übereinstimmungen aufweisen, ist dies noch lange kein Indiz oder gar Beweis dafür, dass eine kriminelle Energie zu erkennen ist. Es ist üblich, dass erfolgreiche Modelle oder Vorgehen ihre Wiederholung finden. Gutachten müssen fachlich richtig und vollständig, aber nicht originell sein. Abgesehen davon wird es diese »Auffälligkeiten« ganz unabhängig davon geben, ob ein Psychotherapeut die Berichte selbst oder mit Hilfe Dritter geschrieben hat.

Sinn und Zweck der Regelung ist die Überprüfung der Einhaltung der PTRiLi. Der Bericht muss in dem Maße selbst erstellt werden, wie es zur Überprüfung der PTRiLi zwingend erforderlich ist. Dieses Erfordernis korreliert mit den probatorischen Sitzungen: Soweit für die Berichterstellung die Reflexion mit den Erkenntnissen und Wahrnehmungen aus den probatorischen Sitzungen erforderlich sind, kann sie auch nur der Psychotherapeut selbst vornehmen, denn nur er allein hat die probatorischen Sitzungen durchgeführt. Der Haupteinwand gegen die Feststellung, bereits allein deshalb müsse der Psychotherapeut den Bericht in Gänze selbst verfassen, liegt im Gutachtersystem selbst: Das Gutachtersystem arbeitet nämlich mit der Hypothese, dass der Bericht und damit allein geschriebene Wörter eine hinreichende Datenbasis sind, die Einhaltung der PTRiLi prüfen zu können. Der Gutachter hat dabei allein den Bericht und kann insoweit auch nur die dort aufgeführten Inhalte in Relation stellen. Wenn aber die im Bericht erwähnten Daten für den Gutachter als Dritten ausreichen, die vom Berichterstatter getroffenen Schlussfolgerungen (Diagnose, geplante Art und Dauer der Therapie usw.) in Frage zu stellen oder gar zu verneinen, dann ist es prinzipiell auch möglich, dass ein anderer Dritter dem Berichtersteller eine Schlussfolgerung vorschlägt.
Wenn also die höchstpersönliche Berichtserstellung des Psychotherapeuten verlangt werden würde, kann sich dies nur ergeben, wenn gerade dieser selbständige Vorgang Gegenstand gutacherlicher Überprüfung sein soll bzw. gerade dieser Vorgang Rückschlüsse auf die Einhaltung der PTRiLi zulässt. Da es sich um geschriebene Wörter handelt, rückt die Frage in den Vordergrund, ob Wortwahl, Grammatik, Aufbau und Ausführlichkeit und damit Eloquenz Rückschlüsse auf die geplante Psychotherapie zulassen. Pointierter formuliert: Kann ein Gutachter zwischen den Zeilen etwas herauslesen, was an den PTRiLi gemessen werden kann ? Es kann dabei in Hinblick auf die Ausgangsfrage nur ein persönliches Kriterium sein und da es nicht um den Psychotherapeuten selbst geht, nur um ein persönliches Kriterium, dass für die Patient-Therapeuten-Beziehung von Bedeutung ist. Meines Erachtens geht diese Erwägung weit über die Aufgabe des Gutachters hinaus. Zum einen ist die Feststellung der Geeignetheit eines Psychotherapeuten für einen Patienten allein anhand der persönlichen Berichterstellung abzulesen, fast schon anmaßend, zum anderen dienen primär die probatorischen Sitzungen und nicht das Gutachtersystem der Ermittlung, ob die Patient-Therapeut-Beziehung im erforderlichen Maße vorliegt.

Vor diesem Hintergrund muss der Bericht inhaltlich vom Psychotherapeuten stammen. Die Ausformulierung auf Basis vom Psychotherapeuten übermittelter Daten und Stichworte, die Überprüfung auf Vollständigkeit bzw. der Hinweis auf inhaltliche Lücken durch Dritte, aber auch der Hinweis auf mögliche oder typische Einwände von Gutachtern bis hin zur kritischen Äußerung hinsichtlich der übermittelten Inhalte ist möglich. Hingegen wären Vorschläge zum Ausfüllen inhaltlicher Lücken sehr bedenklich, es sei denn, sie drängen sich aufgrund der übermittelten Daten auf. Der Vorschlag einer Schlussfolgerung ist ebenfalls möglich.
Der Psychotherapeut hat schließlich den »aufgearbeiteten« Berichtsentwurf daraufhin zu überprüfen, dass er mit den Erkenntnissen und Wahrnehmungen aus den probatorischen Sitzungen im Einklang steht. Dies dokumentiert er mit seiner Unterschrift und haftet ggf. mit allen Konsequenzen.

Jan Frederichs,
Rechtsanwalt

Bitte beachten Sie: Bei diesem Artikel handelt es sich um eine nachträglich korrigierte Fassung des gleichnamigen Beitrags aus Report 11-12/2004

 

 

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